„Der Ort, an dem wir nicht leben möchten“ 

Es ist Sonntag, kurz vor acht. Normalerweise schlafen wir noch tief uns fest, doch heute kann man schon Stimmen aus dem Volunteers Haus vernehmen. Wir wollen nach Katutura, eine ärmliche Vorstadt von Windhuk. Katutura ist in den 1950er Jahren im Rahmen der südafrikanischen Apartheidspolitik entstanden. Damals wollte man aus Windhuk eine „weiße“ Stadt machen, die schwarzen Familien wurden in die Außenbezirke verbannen. Die Bewohner nannten ihre neue Heimat „Katutura“. Übersetzt: „der Ort, an dem wir nicht leben möchten“.
Hier findet fast jeden Sonntag die „Soupkitchen“ statt. Ein Initiative von Kapepo, ein steriotypischer Katutura Bewohner. Zur „Soupkitchen“ darf jedes Kind gehen, spielen und anschließend essen. Auf dem Gelände ist ein kleiner Spielplatz. Kinder klettern fröhlich an Spielgerüst herum, schaukeln oder spielen Fußball. Doch es gibt auch Bücher – sogar auf Deutsch. Auf Bitten der Kindern lese ich ein Buch vor. Allerdings ist die Aufmerksamkeit mehr auf den Bildern und dieser fremd und komisch klingenden Sprache, denn Deutsch spricht hier keiner. Die Kinder löchern mich mit Fragen. Was ich hier machen würde, wo ich wohne oder wo ich herkomme. Doch wir sind nicht nur zum Spielen hier, denn für das Mittagessen muss einiges vorbereitet werden. Es soll einen Gemüseeintopf mit Nudeln und Mortadella-Wurst geben. Riesige Töpfe werden erhitzt, schließlich müssen über 100 Kinder satt werden. Finanziert wird dieses Projekt aus Spenden.
Nachdem die Kinder fertig abgewaschen haben, bekommen wir Freiwilligen eine Führung durch das Viertel Katutura.
Wir gehen immer weiter hinein. Unser Führer kennt sich sehr gut aus, er wird von fast jedem gegrüßt. Ich werde den Eindruck nicht los, dass wir hier wie Touristen im Zoo aussehen. Es herrscht eine komische Stimmung. Wir sind irgendwie fehl am Platz. Die Sonne knallt auf die Wellblechhütten. Wie heiß es da wohl drin sein muss? Das Wasser muss außerhalb an einem öffentlichen Hahn entnommen werden, Toiletten sind ebenfalls öffentlich und daran zu erkennen, dass die Häuschen mit Plastikplanen zugehängt sind. Elektrischer Strom wird an öffentlichen Laternen mit einer 30 m NYM-Leitung angezapft und so gut wie möglich getarnt in die Hütte verlegt. Vielleicht ist es der erste Kulturschock für mich. Die Filterblase, in der wir uns sonst aufhalten, ist so anders. Von Kapepo bekommen wir erzählt, dass dieses Gebiet nur sehr wenige weiße Namibier besuchen. Man merkt es ganz deutlich. Wir werden vermarktet: nach einer kleinen Gebühr an unseren Führer machen die Bewohner Fotos mit uns.
Die Sonne strahlt immer stärker und wir suchen Unterschlupf in einer der vielen Bars. Hinter einem Gittertresen bestellen wir uns kühle Softdrinks. Bevor es allerdings wieder zurück in unsere Oase „Klein Windhoek“ geht, fahren wir auf den „Kapana Market“ in Katutura. Die Spezialität hier ist „Kapana Grilled Beef“- gesalzene, kleine Stücke Fleisch vom Grill.
Dieser Markt ist noch nicht touristisch und steht in kaum einem Reiseführer. Man darf probieren und kann so die einzelnen Stände vergleichen. Nach wenigen Minuten und vier Ständen weiter haben wir unseren Stand des Vertrauens gefunden. Zu dem Fleisch bestellen wir uns „Fat Cockies“, ein aus süßem Teig und anschließend in Fett frittierten Bällchen – sehr lecker! Mit vollen Magen und einer Menge Eindrücken geht es wieder zurück nach „Klein Windheok“.

 

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